Musik verbindet

Sommer! Naja, ok, erst ist der Frühling dran.


An diesem Märztag hat er sich mächtig ins Zeug gelegt. Sonne, blauer Himmel, linde Temperaturen. In der Stadt waren viele Menschen auf der Straße, saßen in Cafés auf den Außenterassen - die Stühle meistens noch mit Decken ausgerüstet.

Ich kam von der Praxis, wollte die Sonne genießen und etwas essen. Auf der Terasse vom Elisengarten ging beides prima.


Die Idee hatte aber nicht nur ich, sondern halb Aachen. Jedenfalls sah ich keinen freien Tisch. Also artig eine Dame, die allein an einem Vierertisch saß, gefragt, ob ich mich dazu setzen dürfe. Ich durfte.


Aber als die Dame die Zigaretten auspackte, hielt ich doch wieder Ausschau nach einem freien Tisch. Fast sofort wurde einer direkt an der Vorderkante der Terasse frei. Ich stand auf, meinen Rucksack in der Hand. Tat die 1,5 Schritte zum nun freien Tisch - und bemerkte, dass sich von den Treppen her ein Mann ziemlich genau zur selben Zeit, im selben Tempo, auf denselben Tisch zubewegte.

Ungerührt setzte ich meinen Rucksack auf einen Stuhl, und holte noch meine Handtasche. "Wollten Sie auch auf die Terasse" fragte ich ihn. Er schien etwas verärgert, wie er da inzwischen neben dem noch freien Stuhl des Zweiertischs stand. "Ja, allerdings, ich wollte mich hierhin setzen," erwiederte er pikiert. 


Gelassen meinte ich, "Na, dann setzen wir uns zusammen hin," und machte es mir bequem. Etwas steif nahm er ebenfalls Platz, drehte den Stuhl so, dass er mir die Seite zuwandte, und lehnte den Oberkörper weg von mir. Hm. Kurz bedauerte ich, den halben Vierertisch für einen halben Zweiertisch und einen Tischpartner eingetauscht zu haben, dessen Körpersprache ich entnahm, er wünsche nach diesem Auftakt keinen Kontakt. Nun ja.

Erstaunt bemerkte ich, dass ich das weder bedrückend noch ärgerlich fand, und mich auch nicht fragte, ob ich was falsch gemacht hätte oder an seiner schlechten Laune Schuld sei. Wirkte der MSC*-Kurs etwa schon?



Ich hatte einen Haufen Noten dabei, und freute mich darauf, sie im Sonnenschein durchzugehen, bis das Essen kam. Bevor ich mich hinein stürzte, bemerkte ich versöhnlich zu meinem Gegenüber etwas in der Art, dass wir uns anscheinend gleichzeitig auf den Tisch zubewegt hätten. Es grummelte etwas Unverständliches von der anderen Tischseite, widerstrebend zustimmend, schien mir.

Ob er denn Raucher sei, fragte ich noch, da ich ja Essen bestellt hatte, und mir ansonsten doch einen anderen Tisch gesucht hätte. "Nein," grummelte er wieder, er wolle ja eben auch essen. Und bestellte sich die Kohlroulade.



Ich vertrieb mir die Zeit mit den Noten, und nahm es so auch gar nicht krumm, dass sein Essen, obwohl später bestellt, zuerst kam. Allerdings ohne Besteck, und so gab ivh ihm meins - schrecklich, das Essen dampfend, duftend, vor sich stehen zu haben, und warten zu müssen, bis der Kellner endlich Messer und Gabel bringt... Als er auf mein "Guten Appetit" hin "Danke" sagte, klang er schon nicht mehr so knurrig.



Und tatsächlich - als mein Essen dann auch kam, sprach er mich an, ob ich Musikerin sei - er habe da doch eben Noten gesehen?

Als er hörte, dass ich mir seit knapp einem Jahr autodidaktisch Gitarre beibringe, war er erfreut, und gestand, selbst ebenfalls Gitarre zu spielen, in einer Band. Und so entspann sich ein lebhaftes Gespräch zwischen uns, dass sich schnell nicht mehr nur um Musik, sondern auch um Lebensträume drehte, den Mut, diese umzusetzen; um die Ängste, die einem dabei begegnen, um das große Glück, bedingungslos geliebt zu werden, und vieles mehr. Wir lachten viel, und berührten auch schmerzliche Punkte, in uns selbst, durch unser Mitteilen.



Seine Geschichte, wie er dazu gekommen war, seinen Job an den Nagel zu hängen und nur noch Musik zu machen, fand ich ermutigend und inspirierend. Schaut in den nächsten Tagen mal wieder hier vorbei, ich werde sie auch aufschreiben.

Nachtrag

Sehr witzig fand ich, dass ein Mann, der etwa 30cm neben, aber eine Stufe unter uns, jenseits der Blumenkübel, auf den öffentlichen Stufen saß, dem Gespräch bald interessiert lauschte. Das konnte ich an seiner Kopfhaltung und Mimik klar erkennen.

In einer Gesprächspause erlaubte ich mir daher einen Spaß mit ihm, beugte mich zu ihm, und sagte, "Das Zuhören kostet übrigens 2 Euro 50!" Als er ertappt schaute, musste ich schallend lachen! Dabei hatte ich selbst schon auf den Stufen gesessen, und wusste, es war unmöglich, die Gespräche nicht mitzubekommen. Er fing sich schnell, gestand frei ein, zugehört zu haben, da er selbst Gitarre spiele, und setzte sich sogar kurz zu uns, bevor er ging.

*MSC: Mindful Self Compassion

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